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Es ist noch gar nicht so lange her, dass viele Werbetreibende eine klassische Marketing Strategie nach dem AIDA-Prinzip (Awareness → Interest → Desire → Action) verfolgten. Die Marketingaktivitäten fingen mit dem Aufbau der Markenbekanntheit durch Fernseh-, Radio- und Printwerbung an, die sich nachgelagert in den Verkaufszahlen widerspiegelte.
Die Customer Journey von heute ist dank des technologischen Fortschritts der letzten Jahrzehnte jedoch nicht mehr linear. Die stetig steigende Anzahl von Publishern, Werbeformaten und digitalen Endgeräten, auf welchen diese präsentiert werden können, schafft immer mehr digitale Touch Points, um die sich Hunderte und Tausende von Werbetreibenden jeden Tag kämpfen. So haben es junge Unternehmen leichter, dem Markt beizutreten, und auch bei den gestandenen Unternehmen werden die Karten neu gemischt. Werbetreibende müssen sich somit für neue Ansätze öffnen, wenn sie nachhaltig im heutigen digitalen Dschungel überleben wollen.
Full Funnel Strategie
Die Antwort klingt auf den ersten Blick recht einfach: Heute wird allgemein empfohlen, eine Full Funnel Digital Marketing Strategie zu verfolgen und somit in den digitalen Aktivitäten auf alle Phasen der Customer Journey mehr oder weniger gleichzeitig einzugehen. Das Ziel ist es, dass der Kunde in exakt der Phase passgenau angesprochen wird, in der er sich gerade befindet.
Das AIDA-Modell berücksichtigt jedoch den After-Sales Bereich (Loyalty und Advocacy) nicht und so kamen auch weitere Modelle wie RACE (Reach, Activate, Convert, Engage) oder “Awareness → Consideration → Conversion → Loyalty → Advocacy” entwickelt. Vereinfacht unterscheidet man jedoch zwischen Upper, Mid und Bottom Funnel.
- Upper Funnel: Nach wie vor liegt hier der Fokus auf der Steigerung der Reichweite und der Generierung der Brand oder Product bzw. Solution Awareness. Erwartungsgemäß befindet sich der Kunde noch am Anfang seiner Customer Journey und verfügt noch nicht über die Kaufbereitschaft. Für die Werbetreibenden liegt der Fokus auf den generierten Impressionen, der Reichweite (Unique User) und auch der Interaktion (z. B. View Time oder Time Spent on Site).
- Mid Funnel: In dieser Phase seiner Journey ist der User sich bereits sowohl der Problemstellung als auch ihrer Lösungsmöglichkeiten bewusst. Die einzelnen Produkte aber auch die Marken werden miteinander verglichen, der Rat von Experten, Influencern, Familie und Freunden berücksichtigt. In dieser Phase ist es für die Werbetreibenden wichtig, zum einen präsent zu bleiben und zum anderen auch die Argumente zu liefern, die den potenziellen Kunden von dem eigenen Produkt bzw. der eigenen Marke überzeugen würden.
- Bottom Funnel: Auch wenn Performance-Marketing an sich eine datengetriebene Digital Marketing Strategie bedeutet, wird es in der Praxis mit den Bottom-Funnel-Marketingaktivitäten gleichgesetzt. Die generierte Reichweite ist oft egal, solange z. B. die Umsatzzahlen und ROAS-Werte stimmen, denn der User hat sich für ein Produkt bzw. eine Lösung entschieden und ist bereit diese zu kaufen. Weitere relevante KPIs sind Conversion-Rate auf der Landingpage, Cost-per-Acquisition (CPA), Cost-per-Order (CPO) und weitere ähnliche. Der Fokus liegt auf dem Abverkauf (E-Commerce) oder der SQL-Generierung (z. B. im Bereich der Dienstleistungen und B2B-Lösungen)
Nach dem Full Funnel Ansatz sollen die Werbetreibenden nun in jeder Phase präsent sein und mit verschiedenen Ansprachen die Antworten für entsprechende Bedürfnisse des Kunden anbieten. So viel in der Theorie. In der Praxis gibt es oft einige Limitationen – ob budgetär oder auch kapazitätstechnisch, Unternehmen wollen sich zunächst auf wenige Aktivitäten fokussieren und müssen irgendwo starten. Die Frage ist hierbei:
Wo genau sollte gestartet werden? Beim Aufbau der Markenbekanntheit oder soll es direkt um Performance gehen?
Passende digitale Kanäle für passende Ziele wählen
So wie die Customer Journey nicht mehr linear verläuft und sich die Phasen auch vermischen können, verändern sich auch die Rollen der digitalen Kanäle. Prinzipiell kann man mit jedem der heutigen Top-Channels (Google, Meta, Microsoft, TikTok etc.) in jeder Funnelstufe präsent sein. Die Google Ads umfassen heute deutlich mehr, als reine Textanzeigen in der Suche. Der Einsatz von Custom Audiences ermöglicht die Bottom Funnel Kampagnen innerhalb von Social Media. Dennoch eignen sich bestimmte Kanäle besser für bestimmte Phasen der Customer Journey als andere. Damit man eine richtige Entscheidung treffen kann, in welchem Kanal man starten sollte, sollte man sich auf einer Seite den eigenen digitalen Abverkaufskanälen widmen (Wo sind meine Produkte bzw. Dienstleistungen sonst gelistet?) und auch dem Wettbewerb innerhalb der Kanäle.
Beispielsweise sind die User von Google (Suche), bing, Amazon und weiteren Suchmaschinen bereits auf der Suche nach irgendetwas. Somit beschäftigen sie sich aktiv mit einem Thema und erwarten auch passende Suchergebnisse. Bei der Fokussierung auf die transaktionsrelevanten Keywords kann ein Unternehmen bewusst die kaufbereiten Zielgruppen ansprechen und so seine Sales-Ziele verfolgen.
SEM first? Ja!
Generell leben wir (zumindest in Europa) in der Zeit der gesättigten Märkte. Ob man nach Kleidung, Haushaltsgeräten, Softwarelösungen oder Medizintechnik sucht, es gibt Tausende von Suchergebnissen. Dabei werden von den Usern kaum mehr als erste 10 bis 15 wahrgenommen, denn man wird sehr schnell fündig. Die Top-Platzierungen auf Google, Amazon & Co. sind immer heiß begehrt. Lohnt es sich dennoch, bei einem so hohen Wettbewerb in SEO und womöglich auch in Ads zu investieren? Die Antwort lautet: Ja!
Vor 15 Jahren mag es ausreichend gewesen sein, die paar Meta-Informationen inkl. Keywords im Backend der Website zu hinterlegen, um gut zu ranken. Die modernen Google Rankingfaktoren berücksichtigen extrem viel aus der User Sicht: Ist die Website schnell? Wie ist die Benutzerführung? Ist die Value Proposition klar? Sind die Inhalte einzigartig und hilfreich? Es reicht heute nicht, einfach eine Website oder einen Online-Shop mit einem Minimum an Informationen anzureichern, um erfolgreich zu sein. Speziell bei Amazon geht SEO mit den Ads Hand in Hand – ohne optimierte Produktdaten und den aussagekräftigen A+ Content kann keine Rede von einer guten Kampagnenperformance sein. Die vielleicht mühsame, aber notwendige Vorarbeit ist die Grundvoraussetzung für erfolgreiche Paid-Aktivitäten.
Dadurch, dass die User Suchmaschinen in ihrer Customer Journey näher am Kauf sind und die Werbetreibenden sich der existierenden Nachfrage einfach bedienen können (es wird von Pull-Marketing gesprochen), sehen die wirtschaftlichen Kennzahlen wie ROAS oder CPO in der Regel deutlich besser aus, als in den typischen Push-Kanälen.
Die Marketingausgaben werden somit vergleichsweise schnell refinanziert und der angestrebte Wachstum ist schneller möglich. Außerdem bringen jede Impression und jeder Websitebesuch (oder Produktseitenbesuch im Falle Preis- und Produktsuchmaschinen) auch Branding-Effekte mit. Somit ist es für jedes Unternehmen empfehlenswert, ihre Aufmerksamkeit zuerst den Suchmaschinen-Aktivitäten zu widmen.
Umgang mit dem hohen Wettbewerb
Ist der Wettbewerb im SEO / SEA zu hoch und das Budget limitiert, hilft es immer, sich auf einen Bereich zu fokussieren bzw. eine Nische zu finden. Beispielsweise kann ein Hersteller der veganen Kosmetik sich auf die Keywords fokussieren, die das Wort “vegan” beinhalten, und der Anbieter der Softwarelösungen im Gesundheitswesen auf eine spezielle Zielgruppe, z. B. Arztpraxen.
In solchen Bereichen wie Fashion, Beauty Produkte oder Nahrungsergänzungsmittel ist der Wettbewerb dennoch besonders hoch, was den Markteintritt erschweren kann. Hier wird unter den großen Fischen geschwommen, gegen die speziell noch junge und unbekannte Unternehmen sich kaum durchsetzen können. In solchen Fällen kann es sein, dass der bessere ROAS doch durch Social Media erzielt werden kann. Jedoch ist es immer individuell zu bewerten.
Unabhängig davon, ob ein Unternehmen sich für Suchmaschinenmarketing oder Social Media Marketing entscheidet, gibt es dennoch einige Bottom Funnel To-Dos, die zu den Basics jeder Digital Marketing Strategie gehören.
Das Branding fängt auf der Landingpage an
Wenn man sich die Marktführer je Branche genauer ansieht, wird man höchstwahrscheinlich feststellen, dass diese allesamt im Suchmaschinenmarketing vorbildlich aufgestellt sind. So kann man sich bei der Suche nach Kleidungsstücken kaum die Suchergebnisse ohne Zalando, Otto oder BonPrix vorstellen. Genauso wenig wie ohne OBI oder Bosch bei der Suche nach einem Akkuschrauber oder Rasenmäher.
Es ist sicherlich nicht einfach, sich gegen solche Player durchzusetzen. Jedoch definieren die Top-Platzierten die Best Practice Ansätze in Sachen Content, Struktur und Funktionalität für die jeweilige Branche, welche ihre Wettbewerber verfolgen sollten, wenn sie ernsthaft mitspielen sollten.
Auch wenn die Details und spezielle Funktionen sich je Branche unterscheiden, gibt es einige Gemeinsamkeiten, die universell angewenden werden können, z. B.:
- Aufbau der Benutzerführung nach dem “Customer First” Prinzip
- Nutzung von aktuellen Best Practices im Web Design
- Klare Kommunikation Value Proposition für die Kunden
- Für E-Commerce – ein einfacher Checkout-Prozess mit den gängigen Zahlungsarten
- Sauberes Hinterlegen der relevanten Meta-Informationen und Integration von strukturierten Daten
Eine durchdachte, aussagekräftige und technisch zeitgemäße Webpräsenz verbessert nicht nur die Chancen auf ein besseres Google-Ranking, sondern steht auch im direkten Zusammenhang mit der Conversion-Rate.
Social Media: Ihre Kunden sind hier – Sie auch?
Auch wenn eine saubere Bottom Funnel Präsenz das A & O ist, darf man Social Media nicht auf Abstellgleis stellen. Denn laut dem Digital Report 2024 (Germany) von We are social & Meltwater nutzen über 87 % der deutschen Bevölkerung ab 18 Social Media Kanäle. Die Top-3: Nach wie vor Instagram, Facebook und TikTok. Dabei wird im Durchschnitt über 37 Std. im Monat auf TikTok verbracht! Im Vergleich sind das bei Instagram “nur” 10,75 Std.
Eigentlich ist es ganz einfach: Ihre Kunden sind auf Social Media unterwegs. Spielt das Budget keine Rolle, können in etwa 70 Mio. Menschen (Bevölkerung 18+ gemäß destatis.de) über Instagram & Co. erreicht werden.
Bei der Berücksichtigung von Social Media sollte man jedoch zwei Dinge beachten: Follower und Likes können vielleicht eine Aussage über Markenbekanntheit und Content-Relevanz für die Zielgruppe machen, jedoch nicht über den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Einfach formuliert: Die Anzahl der Follower steht nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem generierten Umsatz. Der zweite Punkt ist, dass die Targeting-Optionen für Paid Social Kampagnen gerade im Umbruch sind – egal ob Meta oder TikTok, der Trend geht viel mehr in Richtung Automatisierung und KI-gesteuerte Kampagnenschaltung, weg von manuellen Targeting Optionen.
Die immer noch günstige Reichweite (vor allem, wenn man die CPMs mit den Direct Bookings vergleicht) ist jedoch mit deutlich mehr Streuverlust verbunden, als noch vor ein paar Jahren. Das bedeutet, dass gute, auf die Pain Points der Zielgruppen eingehende Kampagnen-Creatives (Video im Fokus), eine ausreichende Learning-Phase und eine Menge Conversions als Signale für den jeweiligen Algorithmus notwendig sind (der Punkt gilt übrigens auch für Google Ads). Die Kernfrage ist demnach: Wie schnell soll der Erfolg eintreten? Wie ist die Erwartungshaltung seitens Marketingleitung?
Ist Ihre Social Media Kampagne erfolgreich und die Aufmerksamkeit ist geweckt, werden die potenziellen Kunden nach den Produkten bzw. Lösungen suchen – und Sie müssen da sein. Hier schließt sich der Kreis.
Fazit
In heutiger Zeit der zahlreichen digitalen Touch-Points müssen die Werbetreibenden in jeder Phase der Customer Journey mit einer passenden Botschaft präsent sein. Eine Digital Marketing Strategie ohne Top-Kanäle, wie Google, Meta, TikTok, Amazon oder Microsoft mit bing und LinkedIn ist heute kaum denkbar, denn diese Kanäle bieten einen schnellen und effektiven Reichweitenaufbau bei einer absoluten Kostenkontrolle.
Auf der Jagd nach der Markenbekanntheit dürfen jedoch die harten Kennzahlen wie Umsatz oder CPA nicht zweitrangig werden, wenn man nachhaltig agieren möchte. Denn auch bei den Kampagnen, die auf den Abverkauf abzielen, werden Sichtkontakte und auch Website-Besuche generiert.
Das Brand Building, die Vermittlung der eigenen Value Proposition für den Customer fängt innerhalb der eigenen Webpräsenz an. Hier muss der Wettbewerb immer im Blick bleiben und im besten Fall kann ein Unternehmen nicht nur das Gleiche, sondern auch darüber hinaus bieten – bzw. sich klar abgrenzen. Eine Full Funnel Strategie sieht im Idealfall den Einsatz von mehreren Kanälen vor. Dennoch sollte ein Werbetreibender seine Hausaufgaben auf der eigenen Website bzw. im Online-Shop gemacht haben, bevor er sich in die aktive Vermarktung mit Paid Media Kampagnen begibt.