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Ein Bericht von Hagen Kohn & Rochus Wolff, Digital Marketing Manager bei den KlickPiloten
Vom 26. bis 28. Mai 2025 waren wir – Hagen und Rochus – auf der re:publica in Berlin, die sich inzwischen selbstbewusst als „Festival für die digitale Gesellschaft“ positioniert. Unter dem diesjährigen Motto „Generation XYZ“ wurde über drei Tage hinweg ein breites Spektrum an Perspektiven aus Technik, Kultur und Politik geboten. Wie jedes Jahr war es schlichtweg unmöglich, alle Talks, Panels und Workshops mitzunehmen – aber wir haben euch eine kleine Auswahl an Highlights mitgebracht, die aus unserer Sicht nicht nur inhaltlich wertvoll, sondern auch für unsere tägliche Arbeit im digitalen Marketing besonders relevant sind.
Präsentieren, aber richtig – Marcus John Henry Brown in Bestform
Marcus John Henry Brown gab in seiner Präsentation eine kleine Masterclass zum Thema Präsentationstechniken. Wer glaubt, er oder sie könne bereits „ganz gut präsentieren“, den wird Brown fragen, ob er wirklich genug Arbeit in seine Präsentation gesteckt habe. Brown inszeniert Vorträge wie Theaterstücke: mit Spannungskurven, gezielten Pausen, Körpersprache und einem klaren narrativen Rahmen. Besonders spannend: Seine Session war zwar auch eine charmante Werbung für sein Schulungsangebot „Speakery“, doch die Inhalte selbst, inklusive der frei zugänglichen Materialien, sind für sich genommen absolut empfehlenswert.
Was wir mitgenommen haben? Gute Präsentationen nehmen die Bedürfnisse und Interessen des Publikums in den Fokus. Und: Wer sich Browns Prinzipien zu eigen macht, liefert womöglich nicht nur bessere Vorträge ab, sondern verbessert dabei womöglich auch noch sein Leben. “Happy!”, das ist das Ziel.
KI zwischen Fortschritt und kultureller Fragmentierung
Künstliche Intelligenz war – wenig überraschend – in diesem Jahr eines der dominierenden Themen auch auf der re:publica. Dabei überwogen die kritischen Stimmen deutlich.
Besonders eindrücklich war der Vortrag des Bildwissenschaftlers Roland Meyer zur Ästhetik von KI-generierten Bildern. Er zeigte auf, dass KI-Modelle bestimmte visuelle Stereotypen verstärken. Sie sind ein Effekt der Art und Weise, wie die Trainingsdaten eingespeist und mit Labels versehen, aber auch, wie die von den KI-Modellen ausgegebenen Bilder bewertet werden. Das bekannte Resultat: Wenn man heute eine KI darum bittet, ein Bild eines CEOs zu erzeugen, erhält man in den meisten Fällen einen weißen, mittelalten Mann im Anzug, während für “nurse” in der Regel Bilder von Frauen ausgegeben werden. Die Problematik liegt nicht nur im Output, sondern schon in der Trainingsstruktur selbst.
Für uns als Digital Marketer ist das ein Weckruf: KI-generierte Inhalte – Bilder und Texte gleichermaßen – sind nicht neutral. Sie transportieren kulturelle Vorannahmen und können – unbeabsichtigt – Diversity-Bemühungen konterkarieren. Eine verantwortungsvolle Bildwahl, klare Brand-Guidelines und ein kritischer Blick sowohl auf die Trainingsdaten wie auch auf die Ausgabe von KI-Algorithmen werden künftig unverzichtbar.
Ein weiterer Denkanstoß kam von Thomas Sommerer, der die kulturelle Bedeutung von KI-generierten Memes infrage stellte. In seinem Vortrag sprach er (am Beispiel von “Shrimp Jesus”) vom völligen „Ablösen“ dieser Inhalte von realen Kontexten – Memes als reine Simulation, losgelöst von gesellschaftlichen Narrativen. Rochus sieht das differenzierter: Auch wenn der Ursprung nicht mehr klar erkennbar ist, sprechen viele dieser Memes offenbar etwas in den Menschen an – sonst würden sie kaum so häufig geteilt.
Auch Deep Fakes wurden in mehreren Vorträgen intensiv behandelt. Anhand konkreter Fallbeispiele – darunter politische Kampagnen in Nordirland, Indien, der Ukraine und den USA – wurde deutlich, wie schwer es inzwischen ist, authentische von manipulierten Inhalten zu unterscheiden.
Politik und Plattformlogiken – was Wahlkampagnen lehren
Ein besonders praxisnaher Einblick kam von Heidi Reichinnek (DIE LINKE), die im Gespräch mit Johnny Haeusler schilderte, wie ihre Partei kurz vor der Wahl eine massive Kurskorrektur in der Social-Media-Strategie vornahm – und damit Erfolg hatte. Statt weiter auf langformatige YouTube-Inhalte zu setzen, fokussierte sich das Team auf kurze, pointierte TikTok-Clips und Instagram-Reels. Selbstironie und faktengestützte Provokation wurden zum Erfolgsrezept. Die Lehre daraus ist klar: Wer seine Zielgruppe nicht nur demografisch, sondern auch plattformbezogen versteht, kann selbst kurzfristig Relevanz erzeugen.
Weitere politische Beiträge beschäftigten sich mit größeren Linien: Annika Brockschmidt beleuchtete die politische Zersplitterung in den USA, während Natascha Strobl die Relevanz klassischer Faschismus-Theorien für heutige politische Bewegungen prüfte. Besonders brisant: Die Analyse von Aline Blankertz und Rainer Mühlhoff, die argumentierten, dass die politischen Ideenwelten von leitenden Figuren aus dem Tech-Sektor den gleichen ideologischen Grundlagen entspringen wie autoritäre Denkfiguren, die weltweit zunehmend an Bedeutung gewinnen – ein Blick in den Maschinenraum der Digitalpolitik.
Was wir mitnehmen
Die re:publica 2025 hat uns erneut gezeigt, wie eng digitale Innovation, gesellschaftlicher Wandel und politisches Handeln miteinander verwoben sind. Für uns als Digital Marketing Manager bedeutet das: Unsere Verantwortung reicht weit über KPIs und Conversion-Ziele hinaus.
Wir sollten kritisch mit KI umgehen, kulturelle Kontexte aktiv reflektieren und in der digitalen Kommunikation mehr denn je auf Authentizität, Zielgruppenverständnis und ethische Standards setzen.
Und: Wer präsentieren kann, hat schon gewonnen. Und verbessert womöglich damit noch sein Leben.