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Wer kennt es noch? Mitte der 2000er Jahre, gruscheln, Gruppen beitreten, Freunde suchen und die ersten richtigen Schritte im Social Media machen. Mit StudiVZ und den Ablegern MeinVZ und SchülerVZ hatte Deutschland sein erstes richtiges soziales Netzwerk (Lokalisten einmal ausgenommen). Die Gründer hatten damals den richtigen Nerv getroffen und schafften es, eine Vielzahl junger Menschen für das Netzwerk zu begeistern. Für damalige Zeiten schienen die Möglichkeiten geradezu revolutionär. Wer vorher noch das „Ahoo“ von ICQ gewohnt war und nicht viel mehr als Textnachrichten verschicken konnte, war plötzlich in der Lage Freunde anhand von Fotos zu finden, in Gruppen die mal mehr (VWL 3. Semester) und mal weniger („Scheiß Party, wenn ich meine Hose finde, gehe ich heim“) ernsthaft waren zu diskutieren, eine gemeinsame Kalender- und Veranstaltungsfunktion zu nutzen, die Profile anderer Nutzer zu stalken, an deren Pinnwände zu posten und das alles mit europäischen Datenschutzstandards. Social Media in den Kinderschuhen und alle fanden es sensationell.
Plagiatsvorwürfe und Verkauf
Was bei StudiVZ und den Ableger-Netzwerken jedoch auch immer mitschwang, waren Plagiatsvorwürfe. In Struktur und Funktionalität angelehnt an den großen Bruder Facebook (das auch als Studentennetzwerk startete), reichten die Vorwürfe bis zu der Abkupferung von Design und Layout. Mehr als Vorwürfe sind allerdings nie daraus geworden.
Auch damals war schon das enorme Potenzial für Marketing (durch Weitergabe persönlicher Daten) erkannt worden und führte zu einer entsprechenden Bewertung am Kapitalmarkt. Im abschließenden Bieterverfahren im Jahr 2007 setzte sich die Holtzbrinck Verlagsgruppe durch und erwarb das Netzwerk für einen Betrag von annährend 85 Mio. Euro. Was für ein Exit.
Der Abstieg von StudiVZ
Bis ins Jahr 2009 setzte sich diese Erfolgsgeschichte fort, dann begann der stetige Abstieg. Dafür lassen sich einige Faktoren heranziehen, aber die 2 wichtigsten sind damals wie heute, die marktbeherrschende Dominanz von Facebook und das Verschlafen von Entwicklungen. Facebook expandierte in sämtliche europäische Länder und das dazu in Landessprache, ein Aufwand den StudiVZ auch wegen technischer Probleme nicht stemmen konnte. Aber nicht nur technisch, sondern auch hinsichtlich des Designs stand StudiVZ stll: Wenn man die Anmeldemaske für StudiVZ betrachtet, hat diese heute (Juli 2020) immer noch das gleiche Design wie die damalige Anmeldemaske von 2005.
Neuanfänge mit VZ.net
Ab dem Jahr 2011 wurde das Netzwerk mehrfach weiterverkauft, ohne dass sich etwas daran geändert hätte oder es für andere Leute relevant geworden wäre.
Das wollen die jetzigen Käufer wieder ändern. Und das mit einem durchaus bemerkenswerten Konzept.
Dieses Comeback beginnt mit einem Rebranding von StudiVZ zu VZ.net und geht weiter mit einer kompletten Neuaufsetzung des Netzwerks. Nicht nur kosmetische Änderungen, sondern ein tatsächlicher Neustart. Das neue Konzept sieht außerdem vor, den User von der Profil- und Timelinezentrierten Nutzung weg zu bewegen und zu einer Gruppenzentrieten Austauschplattform hin zu bewegen. Dabei sollen der Austausch und Gruppenkommunikation, mit Fokus auf eigene Interessen im Vordergrund stehen. Ein durchdachter Aspekt ist auch die Möglichkeit der Importierung des alten Accounts in das neue Netzwerk, inklusive alter Fotos und Gruppen.
Tatsächlich sieht die Geschäftsführung von VZ.net die Nische für eine weiteres Gruppennetzwerk als vorhanden an. Man darf gespannt sein, ob sich diese Vermutung bestätigt.
Welche Möglichkeiten bietet VZ.net?
StudiVZ wurde bekannt durch lustige Gruppen, spannende Spiele sowie das allbekannte „Gruscheln“. Auch wenn sich das Design der Social Media Plattform außerordentlich geändert hat, so bleiben einige Funktionen vom ehemaligen StudiVZ erhalten.
So ist beispielsweise der Plauderkasten wieder da, durch den das Chatten mit neuen Freunden aber auch alten Bekanntschaft ganz einfach und schnell wiedererweckt werden kann. Auch könnt Ihr mit dem sogenannten Buschfunk wieder massenhaft lustige Gruppen finden, die auf Eurer Frequenz funken und auch das Gruscheln wurde nicht vergessen.
Zudem ermöglicht das Social Media Comeback vielerlei Foren, in denen Ihr Euch untereinander zu verschiedenen Themen austauschen könnt sowie einen Eventkalender, mithilfe dessen Ihr nie die Geburtstage Eurer Bekannten vergesst und spannende Veranstaltungen in Eurer Nähe finden könnt. Des Weiteren lässt die Channel Funktion Bloggerherzen höher schlagen, denn mithilfe eines Baukastensystems könnt Ihr so ganz einfach Euren eigenen kleinen Blog ins Leben rufen.
Dabei wird Datenschutz großgeschrieben, denn nach eigenen Angaben von VZ.net werden Nachrichten nicht mitgelesen.
Als weiteren Pluspunkt führt die Geschäftsführerin an, dass es keine Monetarisierung von externen Daten geben soll, sprich es sollen keine algorithmisch getriebenen Anzeigen ausgespielt werden. Das Anzeigenmodell, welches aus gut sichtbar platzierten Werbeplätzen bestehen soll, richtet sich ganz auf die Interessen, welche die User bei Ihrer ersten Anmeldung im Netzwerk auswählen.
Ob diese Maßnahmen ausreichen, um das Netzwerk wieder für die User interessant zu machen und gleichzeitig auch relevant genug, um durch eine kritische Größe wieder ausreichend Werbekunden anzuziehen, bleibt dabei abzuwarten…